Mittwoch, 27. Februar 2008

Online-Durchsuchungen: Nun offiziell erlaubt!

Heute entstand durch das Bundesverfassungsgericht ein neues Grundrecht. Das "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme".

Sozusagen das Recht auf Privatsphäre und persönliche Freiheit sowie freie Entfaltung in den neuen Medien. Was früher das Briefgeheimnis war, ist heute, das schwer auszusprechende, "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme".

Klingt gut, doch was sagt das Urteil genau aus? Es verbietet keine Online-Durchsuchungen, beschränkt sie nur auf wichtige Fälle, also nicht bliebig auf jeden Verdacht, sondern bloß auf die "Abwehr der dringenden Gefahr oder die Verhütung von Straftaten ...[welche] auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre".

Nicht gerade klar formuliert und keine hohen Hürden! Die Politiker selbst behaupteten schon beim Beschluss der Online-Durchsuchungen das Gleiche, was das BVG heute entschied. Nichts Neues durch das Urteil! Online-Durchsuchungen sollten angeblich sowieso schon immer nur bei wirklich wichtigen und bedrohlichen Fällen eingesetzt werden. So brachte man das Gesetz erst "durch". Offiziell ist z.B. telefonisches Abhören auch äußerst streng geregelt, doch BND und Co. (Verfassungsschutz usw.) hören täglich (oder mindestens wöchentlich) mehr Gespräche (großteil automatisch nach Kennwörtern) ab, als die STASI es im Jahr tat.

Ein Gesetz um alle Bundesbürger zu bespitzeln wäre ziemlich sicher unpopulär und viel schwerer zu beschließen gewesen... Der Staat brauchte zu seiner Machterweiterung die generelle Genehmigung Online-Durchsuchungen durchführen zu können. Die Erlaubnis hat er nach dem Urteil unverändert.

Das gilt auch für reguläre Durchsuchungen. Die werden längst nach Belieben durchgeführt. In Berlin z.B. gab es Fälle, in denen Richter mehrfach Durchsuchungen ablehnten und die Polizei es dann trotzdem, einfach so, tat und einfach behauptet, es hätte Gefahr in Verzug bestanden.

So wird es auch mit den Online-Durchsuchungen ablaufen. Offiziell darf man sie kaum anwenden, doch man tut es einfach und sagt hinterher - sofern es überhaupt auffliegt: "Tut uns leid, wir dachten es wäre nötig gewesen und vermuteten es ging um was Schlimmes", und keiner wird für den Machtmissbrauch bestraft. Das wird der Grund sein, wieso Schäuble & Co. sich heute diebisch freuten.

Das Urteil ändert an der Realität ihrer Machterweiterung nichts!

Das Urteil ist nicht negativ für sie!


Positiv ist immerhin, dass man das nordrhein-westfälische Gesetz zur Online-Durchsuchung, das Gegenstand der Überfprüfung war, für rundum verfassungswidrig und nichtig erklärte.

Kein großer Tag für die Demokratie. Unser höchstes Gericht tat nichts grundsätzlich gegen den stetigen Ausbau des totalitären Staates und die Überwachung & Kontrolle aller Bürger, die Umkehr aller Prinzipien. Alle sind Unschuldig, bis es Beweise oder Indizien gibt und nicht alle Bürger sind allzeit potentielle Terroristen und von daher vom Staat unter Beobachtung zu stellen! Heute zeigte unser Bundesverfassungsgericht nur prinzipiell, dass der Staat nicht gleich direkt zu dick auftragen kann und schränkte die Online-Durchsuchungen "pseudo-rechtlich", durch nicht von der Demokratie zu erfassende und nachvollziehbare, Beschränkungen ein, die der Staat nicht im Ansatz einhalten muss und wird.

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